Macskabölcső
1
Die Wäscheleine schwebt im großen Raum
und läßt zerschlissen Linnen locker fallen,
daß sie der Wind in Fasern, Flusen zaust,
das Los der Welt, sie immer neu zu weben,
das Sein die Kette, Nichtsein ist der Schuss,
das Muster gebend wechselnd Eis und Glut vor,
laßt die Herrin, schwebend Wäscheleine,
ihr kosmisch schwingend Laken weiter schwenken
2
etwas starrt dich an, die Augen glühen,
ein wirbelnd Funkenschweif zerfällt zu Sternen,
die Kerne lodern, strahlen aus dem Raum,
kein Körper noch, kein Ding, nur Kraft des Blickes,
ein Punktgitter vielleicht, es fehlt dem Nichts
schon, doch ihm fehlt noch die wahrnehmbare Form
etwas starrt dich an, glühender Wille,
eirbelnde Funken, die zu Sternen stieben
3
du kniest auf deines Grabes Schieferplatte,
wilde Strömung reiss diich den Fluss hinab,
der Höhlengang wird immer schmaler, enger,
die Tunneldecke köpft dich um ein Haar,
der Traumname des Flusses lautet Rhône,
es bricht am Ende in das Freie durch,
am Felsen angeklammert reißt die Strömung
dich weiter fort, dorthin, wo es jetzt brennt
4
das Fenster spaltweit offen, dunstbeschlagen,
innen dampfen schemenhafte Körper,
ich lande lohend auf der Lilien Flamme,
ein Wollen wählt zu seiner Gottheit mich,
es will ich sein, langsam wird mir klar, auch ich
will es sein, wie das Kissen wird zum Kopf,
das Fenster spaltweit offen, dunstbeschlagen,
innen dampft mein schemenhafter Körper
5
Reifenspuren Rillen Matsch und Schlamm, Sand
Pflastersteine Fugen Einbahnstrassen
Gänse Unkraut Maikäfer und Hühner
Kanalratten Wanzen dürre Gräser
ausgestreute Asche Zwiebelschalen
Kippen Kotze Pfützen Pisse Plastik
die Räder sinken ein in Matsch und Schlamm
Pflastersteine lassen Wagen rumpeln
6
ein leiblich Kind und eines, das dich abstößt,
den duldet man, jener wird abgeschoben,
das eine leidet, plärrt, das andre trotzt,
bis es gefügig ist, das eine lebt frei
und bleibt es selbst, das andere verliert,
in allem Bösen leugnen beide Gutes,
ein leiblich Kind und eines, das dich abstößt,
sie Tauschen ihre Fremdheit gegenseitig
7
das Breitbeil wuchtig in der Hand des Jongleurs,
und dessen Reifen wirft der Flurhüter,
der Bäcker freilich schwingt den Stock des Hüters,
daer Programmierer mischt das Mehl für Brot,
der Pfarrer schreibt von nun an die Programme,
die Bibelstunde hält der Zimmermann,
das Breitbeil wuchtig in der Hand des Jongleurs,
und dessen Reifen wirft der Flurhüter
8
und stellst du dich dem Bergsturz in den Weg,
verzögerst du, daß hier ein See sich bildet,
schön ist die Morgestunde, mörderisch,
ertrage auch das Untergeh’n der Sonne,
du bist es nicht, den eigne Pflicht besiegt,
schon schaut die Neigung sich dazu bei andren,
der Bergsturz fällt an deinem Weg vorbei,
beschleunigt so die Bildung eines Weihers
9
„mein eigner Bruder vögelt meine Tochter,
was kann ich machen, soll ich ihn kastrier’n?”
„ich muß entscheiden, zahle ich monatlich?
was schreib ich hin, wenn das Inkasso kommt?”
„wir haben wieder Fehlbeträge, mehr als
im Vorjahr, jetzt halt ich das nicht mehr aus!”
„bei mir benützt mein Sohn die eigne Schwester,
kastrier’ ich ihn, werd’ ich nur eingesperrt”
10
das Herbstlaub liegt in sauberen Haufen,
Groschenromane steh’n in hellen Flammen,
Säfte der Liebe, winterwarmes Bett,
Decke ausschütten, Federbetten lüften,
ich versteh dich unverstanden nicht, Licht,
sei du mein Auge, Sonne, sei mir Wohnung,
karminroter Blätter saubre Haufen,
die Zeit fällt wie ein Rock, sie ist untragbar
11
vom Brunnen holt Wasser der zerbrochne Krug,
von Hand zu Hand geht abgelegtes Zeug,
auch die gebrauchten Möbel finden Käufer,
Zugvögel brüten auf dem fremden Nest,
das Morgen leiht sich lediglich vom Gestern,
auf unsre Rückkehr hofft, was niemals war,
vom Brunnen holt Wasser der zerbrochne Krug,
von Hand zu Hand geht weggeworfnes Zeug
12
so leben wir das Leben anderer
so Leben andre Menschen unser Leben,
damit das Dasein Katzenwiege spielt,
und wir Ordnung nicht einmal vermuten,
nur Schmerz empfinden, wenn ein Wechsel kommt,
und nie erfahren, wen die Botschaft angeht,
wenn wir das Leben anderer gelebt,
wie andre Menschen unser Leben lebten
Übertragen von György Buda