Über den Autor

Über das neue Buch von Zoltán Halasi

Zoltán Halasi ist ein vielseitiger Vertreter der ungarischen Gegenwartsdichtung. In seinen philosophischen Gedichten bildet er das Leben in seiner Ganzheit ab. Seine Portraits großer Schriftsteller, z. B. Goethes, Büchners und Kafkas haben die Gattung des literarischen Essays erneuert, seine publizistischen Arbeiten umfassen die gesamte Kulturgeschichte. Als literarischer Übersetzer überträgt er die schwierigsten Autoren auf virtuose Weise. Sein bisheriges œuvre wurde mit dem Hieronymus-, dem Palládium-und dem Attila-józsef-Preis ausgezeichnet.

Das außergewöhnliche Buch Der Weg zum leeren Himmel setzt der polnisch-jüdischen Kultur und deren Vernichtung ein einzigartiges Denkmal. Als Ausgangspunkt diente das in jiddisch geschriebene und von Halasi ins Ungarische übersetzte Holocaust-Poem von Jizchak Katzenelson.

Im Prosateil des Buches läßt Halasi neunzehn fesselnde Kapitel hindurch jüdische Intellektuelle sagen und schreiben, was alles mit dem Krieg verlorengegangen ist. In diesen als Dokumente getarnten belletristischen Texten gibt er einen Überblick über die Eigenart der jüdischen Kultur Polens und die gnadenlose und methodische Vernichtung der in ihr lebenden Menschen.

In den einzelnen Kapiteln verwandelt er sich bald in einen Bildungsreferenten, bald in einen Kunsthistoriker, in einen Literaturkritiker oder in den Autor eines Reiseführers, um mit authentisch wirkender Sachkenntnis über eine Holzsynagoge, eine Gedichtanthologie in jiddisch und über das jüdische Viertel von Warschau zu berichten. Als deutscher Bankier erhellt er die versteckten Ziele der Geldpolitik der Nazis, als Verfasser von SS-Broschüren die Absurdität des Rassismus.

In seiner Erzählung über die eine Woche dauernde Selektion im Warschauer Ghetto beleuchtet er die unerbittliche Logik von Zwangshandlungen in Katastrophensituationen. Eine Sozialarbeiterin schildert die zahllosen Fallstricke bei der Rettung von Kindern. Halasi bringt in drei verschiedenen Perspektiven - polnischer, jüdischer und deutscher - die Errichtung und den Betrieb des Vernichtungslagers Treblinka ins Bild. Durch die zynischen Äußerungen deutscher Polizisten gewinnen wir Einblicke in die Rituale der Massenhinrichtungen und der Einweihung in das Mordhandwerk. Im letzten Kapitel wechseln Erzählsplitter flüchtender jüdischer Kinder und der sie versteckenden Helfer mit einer gewissen Regelmäßigkeit, sich steigernd bis zur Unerträglichkeit.

Der erschütternde Inhalt paart sich mit besonderen künstlerischen Mitteln: in Prosa versteckte Lyrik, häufige Mehrstimmigkeit. Der Akzent verschiebt sich vom individuellen Schicksal zur Gesetzmäßigkeit. Mit Hilfe bedeutender formaler Neuerungen arbeitet das Buch ein Tatsachenmaterial auf, das nicht einmal dem europäischen Leser bekannt ist, geschweige dem ungarischen. Die formalen Neuerungen dienen der künstlerischen Verarbeitung dieses vielschichtigen, komplizierten und geheimgehaltenen historischen Tatsachenmaterials.

Den Abschluß des Werkes bildet ein außergewöhnlicher Gedichtzyklus. Darin greift der Autor in Grundzügen das mentale Antlitz des Mittelalters auf, in mittelalterlichem Tonfall und Geist. Wir bekommen ein anatomisch genaues Bild von Kaisertum, Papsttum, Rittertum, Kreuzzügen, feudale Zwistigkeiten, Geld und Verleumdung (Ritualmord, Hostienschändung, Brunnenvergiftung), vermischt mit nicht wenig Ironie. Schließlich erzählt die Gattung der jüdischen gemeinschaftlichen Totenklage in einer Gedichttriade ihre eigene europäische Geschichte.

Das Werk von Halasi unternimmt mit kraftvoll neuartigen künstlerischen Mitteln nicht nur die Darstellung des Systems des Holocaust, sondern hebt mit poetischen Bildern und musikalischer Lyrik die gemeinsame europäische Vorgeschichte aus dem kollektiven Unbewußten. Er vermittelt dem Leser das Wesentliche.

Der Weg zum leeren Himmel hat die Anerkennung des Fachs gefunden. Ihr Autor konnte für das neu erschienene Buch zwei hochrangige literarische Auszeichnungen entgegennehmen: den Déry-Preis und den Milán-Füst-Preis.

 

Visszhang

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